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Zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz: Einblick in das Seminar „Presse- und Strafrecht für Journalisten“ der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer

Presse- und Strafrecht
Die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer veranstaltet ein Seminar für Journalisten zum Thema „Presse- und Strafrecht“.

Die Medienlandschaft entwickelt sich ständig weiter. Umso wichtiger ist es für Journalisten, die Grenzen und die eigene Verantwortung bei der Berichterstattung über laufende Gerichtsverfahren zu kennen und zu beachten. Ende Januar lud die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer daher zum Seminar „Presse- und Strafrecht für Journalisten“ ein. Die Rechtsanwälte Prof. Dr. Michael Gubitz und Dr. Björn Elberling stellten zentrale Regelungen in den Bereichen Straf- beziehungsweise Presserecht vor.

Worum ging es bei dem Seminar?

Das Seminar befasste sich insbesondere mit der Frage, wie weit Journalistinnen und Journalisten in ihrer Berichterstattung gehen dürfen, zum Beispiel, ob sie Namen von Beschuldigten nennen dürfen. Ein weiterer wichtiger Punkt waren die Auskunftsansprüche der Medien gegenüber den Strafverfolgungs- und Justizbehörden. Dabei wurde deutlich, dass sich diese Fragen oft in einem komplexen Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Information und dem Schutz der Privatsphäre sowie anderen gesetzlichen Bestimmungen bewegen. Ein zentrales Anliegen des Seminars war es, häufig verwendete Begriffe aus dem Strafrecht zu klären und ein besseres Verständnis für das Handeln der juristischen Akteure innerhalb und außerhalb der Hauptverhandlung zu schaffen.

Als erstes wurde die Grundlage des Äußerungsrechts erläutert. Journalisten müssen immer zwischen der Pressefreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abwägen. Auf keinen Fall darf die Berichterstattung falsche Tatsachenbehauptungen aufstellen, die Privat- oder Intimsphäre der Betroffenen verletzen oder Schmähkritik verbreiten.

Als nächster Punkt wurde das Auskunftsrecht der Medien behandelt. Die Behörden sind verpflichtet, der Presse Auskünfte zu erteilen, die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen. Trotzdem können unter bestimmten Voraussetzungen Auskünfte verweigert werden, beispielsweise wenn dadurch ein laufendes Verfahren erschwert, verzögert oder gefährdet würde.

Der dritte Punkt war die Richtigstellung einiger weit verbreiteter Irrtümer. So führen Fehler oder Verstöße bei der Beweiserhebung, wie zum Beispiel eine Durchsuchung ohne Durchsuchungsbeschluss, nicht stets zu einem Beweisverwertungsverbot. Entgegen landläufiger Meinung gibt es auch kaum wirksame Rechte der Verteidigung während des Ermittlungsverfahrens. Der letzte Teil der Aufklärung häufiger Irrtümer widmete sich der Terminologie vor Gericht und den Unterschieden zwischen Begriffen wie „Berufung“ und „Revision“ oder „Beschuldigter“, „Angeschuldigter“ und „Angeklagter“.

Der vierte Punkt des Seminars war die identifizierende Berichterstattung und Namensnennung. Die Berichterstattung über Gerichtsverfahren ist sehr häufig identifizierend. Typische Fragen, die sich Journalisten dabei stellen, sind, ob sie den vollen Namen eines Prozessbeteiligten nennen dürfen oder ein unverpixeltes Foto veröffentlichen können. Bei Aufsehen erregenden Straftaten und bei Prominenten ist dies grundsätzlich zulässig. Bei Jugendlichen hingegen ist es grundsätzlich nicht erlaubt und auch bei Heranwachsenden schwierig zu beurteilen, sofern sie nicht prominent sind. Dass die Presse am ersten Verhandlungstag gut vertreten ist, hört oder sieht man oft bei spannenden Prozessen. Am ersten Verhandlungstag trägt aber die Anklage einseitig den Sachverhalt vor, die Möglichkeiten der Verteidigung, diesem Bild etwas entgegenzusetzen, sind auch hier wieder beschränkt.

Strafrecht

Der nächste Teil des Journalistenseminars befasste sich mit der Bedeutung des Verständnisses des Strafrechts. Im Rahmen von Ermittlungsverfahren werden nur selten Stellungnahmen abgegeben. Das liegt entweder daran, dass der Inhalt der Akten nicht bekannt ist oder weil eine Äußerung bedeuten würde, sich auch auf einen Sachverhalt festzulegen. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, warum keine Aussagen gemacht werden, es kann aber auch andere Gründe geben.

Daten und Fakten zu Schleswig-Holstein

Fakten für Schleswig-Holstein 2021: Nach einem Rückgang der registrierten Kriminalität im Vorjahr um 5,2 % ist die Fallzahl im Jahr 2021 um 1,7 % gestiegen. Insgesamt gab es 176.893 registriert Straftaten, 2.964 mehr als 2020. Der Anstieg ist aber auf nur ein einziges Umfangsverfahren im Deliktsbereich Betrug zurückzuführen, in dem es um 8.717 Fälle des Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen ging.

Medienwirkung

Massenmedien beeinflussen die Wahrnehmung ihrer Leser sehr stark und direkt. Dies geschieht beispielsweise durch das Setzen bestimmter Themen auf die Tagesordnung. Somit prägen sie auch das Wissen und das Problembewusstsein der Bevölkerung entscheidend mit. Eine falsche Darstellung der Kriminalität kann jedoch große Probleme verursachen. Denn die Sprache bestimmt die Wahrnehmung und die Berichterstattung beeinflusst die Bewertung.

Beispielsweise wird in den Medien deutlich häufiger oder intensiver über Gewaltdelikte berichtet, als es dem tatsächlichen Vorkommen entspricht. So kann ein stark verzerrtes Bild der tatsächlichen Kriminalitätsgefährdung entstehen. Die möglichen Folgen reichen von erhöhter Kriminalitätsfurcht über eine Dramatisierung der Kriminalitätsbedrohung bis hin zu verzerrtem Wissen über Kriminalität. Dies kann dazu führen, dass soziale Probleme sich entwickeln oder sich sogar zu verschärfen drohen.

Vorletzter Punkt war die Berichterstattung aus dem Gerichtssaal. Für eine zulässige Verdachtsberichterstattung sollte ein erhebliches öffentliches Interesse gegeben sein. Üblicherweise schließt dies Bagatelldelikte bei jugendlichen Verdächtigen aus. Außerdem muss ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen. Die Presse muss noch sorgfältiger als sonst prüfen, ob die Tatsachen, von denen sie erfährt, zutreffen. Dies wird auch als erhöhte journalistische Sorgfaltspflicht bezeichnet. Die Berichterstattung darf nicht vorverurteilend sein. Es muss deutlich sein, dass es sich nur um einen Verdacht handelt, und es müssen auch entlastende Tatsachen dargestellt werden. Dem Betroffenen muss eine konkrete Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden und die Medien müssen sie in angemessenem Umfang wiedergeben.

Zum Abschluss des Seminars wurde der Umgang mit Informanten behandelt. Im Bereich der Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen ist besondere Vorsicht geboten, da hier bestimmte verbotene Mitteilungen mit Freiheits- oder Geldstrafe geahndet werden können.Man darf die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahrens nicht ganz oder in wesentlichen Teilen öffentlich verbreiten, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Die Teilnehmer des Seminars „Presse und Strafrecht“ der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer haben eine wertvolle Schulung erfahren, die ihnen eine umfassende Perspektive auf ihre Rolle als Journalisten in der Berichterstattung über Gerichtsverfahren verlieh.

Sie erlangten Klarheit über die feinen Grenzen der Pressefreiheit und die unerlässliche Beachtung des Persönlichkeitsschutzes. Die Teilnehmer vertieften ihr Verständnis der Auskunftsrechte der Medien gegenüber den Strafverfolgungs- und Justizbehörden. Sie klärten über häufige Irrtümer im Strafrecht auf, insbesondere in Bezug auf die Beweiserhebung und die Verteidigungsrechte.

Die Juristen vermittelten Richtlinien für eine verantwortungsvolle, identifizierende Berichterstattung und Namensnennung. Dabei betrachteten sie die Art des Verfahrens und die beteiligten Personen als entscheidend. Sie boten einen umfassenden Einblick in das Strafrecht, einschließlich eines Einblicks in die Strafzwecke.

Des Weiteren wurde den Teilnehmern das Verständnis für die Medienwirkung nähergebracht und für die potenziellen Auswirkungen falscher Darstellungen von Kriminalität sensibilisiert. Das Seminar erläuterte Richtlinien für die Berichterstattung aus dem Gerichtssaal, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf erhöhter journalistischer Sorgfaltspflicht und der Vermeidung vorverurteilender Darstellungen lag.

Zudem sensibilisierte die Schulung die Teilnehmer für den sensiblen Umgang mit Informanten und informierte sie über die Risiken der Veröffentlichung verbotener Informationen über Gerichtsverhandlungen.

Die Teilnehmer erhielten insgesamt eine fundierte Schulung, die es ihnen ermöglichte, ihre Verantwortung als Journalisten in der Berichterstattung über Gerichtsverfahren besser zu verstehen und zu erfüllen.