Dass er einmal als Quereinsteiger im Notariat arbeiten würde, hätte sich Eike-Christian Harden nicht träumen lassen. Nach Jahren in einem völlig anderen Beruf wagte er den Sprung und fand seine wahre Berufung im Rechtswesen. Wie ihm der Quereinstieg als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellter gelungen ist, welche Herausforderungen er gemeistert hat und warum er den Beruf jedem empfehlen kann, erfahren Sie in unserem ausführlichen Interview mit Eike-Christian Harden.
Können Sie uns etwas über Ihren beruflichen Werdegang und Ihren Weg als Quereinsteiger in die Kanzlei erzählen?
Zunächst hatte ich überlegt, Physik zu studieren. Doch schnell wurde mir klar, dass mir der Kontakt zu anderen Menschen und die Arbeit mit Sprache fehlten. Deshalb entschied ich mich für den Beruf des Bibliothekars und arbeitete in verschiedenen Universitätsbibliotheken. Auch in diesem Bereich stellte ich bald fest, dass es nur wenige Stellen gibt und die Aufstiegsmöglichkeiten begrenzt sind. Im Notariat hingegen werden immer qualifizierte Fachkräfte gesucht. Hier gibt es vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten, zum Beispiel zum Notarfachwirt, die die Karrierechancen deutlich verbessern. Daraufhin habe ich mit meinem Cousin gesprochen, der Notar ist, und mit seinem Chef, der ihn zum Notar ausgebildet hat. Schnell war ich überzeugt, dass die Ausbildung zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten das Richtige für mich ist: Man hat Kontakt mit Menschen und gestaltet mit Worten Vereinbarungen und Verträge.
Als Quereinsteiger hatte ich noch den Vorteil, dass ich vieles aus meinem vorherigen Beruf mitnehmen konnte, zum Beispiel das Urkundenwesen. Denn eine Urkunde wiederzufinden ist nichts anderes, als ein Buch wiederzufinden Als Bibliothekar musste man oft geschickt herausfinden, welche Informationen die Leute wirklich benötigten und was genau sie suchten. Obwohl sie sich vorher bei Google informiert hatten, hatten sie es oft nicht richtig verstanden. Ähnlich verhält es sich auch im Rechtsbereich. Diese Erfahrungen haben mich ermutigt, ins Notariat beziehungsweise in eine Kanzlei einzusteigen.
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Wie haben Sie herausgefunden, dass die Arbeit in einer Kanzlei das Richtige für Sie ist?
Ich habe zuerst ein Praktikum gemacht und gleich gemerkt, dass mir die Arbeit in einer Kanzlei sehr viel Spaß macht. Dann habe ich mich dort beworben und musste wie alle anderen auch zur Berufsschule und habe dann die ganz normale Ausbildung zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten absolviert.
Konnten Sie die Ausbildung zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten verkürzen?
Ja, das war möglich. Die Ausbildung zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten erfolgt im dualen System. Einen Teil der Woche verbrachte ich in der Berufsschule, den anderen in der Kanzlei. Normalerweise dauert die Ausbildung drei Jahre. Ich hatte die Möglichkeit, ein halbes Jahr später einzusteigen und somit auch die Prüfung ein halbes Jahr früher abzulegen. Ich habe mich aber dagegen entschieden und die Ausbildung in knapp zweieinhalb Jahren abgeschlossen.
Was war für Sie die größte Umstellung beim Wechsel in die Rechtsbranche?
Ich glaube, dass man immer auf die Fristen achten muss. In anderen Bereichen kennt man das nicht so, aber hier ist das schon das A und O.
Was war Ihre bisher größte Herausforderung in der Kanzlei und wie haben Sie diese gemeistert?
Im Prinzip ist jede komplexe Urkunde, die man zu bearbeiten hat, eine Herausforderung. Denn manchmal denke ich mir, das weiß ich jetzt auch nicht so genau. Dann greife ich auf das zurück, was ich als Bibliothekar gelernt habe, nämlich zu recherchieren. Entweder versuche ich, es selbst herauszufinden, und im Zweifelsfall kann ich immer meine tollen, erfahrenen Kollegen fragen, die mir weiterhelfen. Ich kann jederzeit mit meinen Chefs sprechen, ihnen Vorschläge unterbreiten und nachfragen, ob mein Ansatz richtig ist. Als Quereinsteiger sollte man auf das zurückgreifen, was man zuvor gelernt hat, worin man gut ist und wo man sich sicher fühlt. So gelingt der Einstieg gut.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellter aus?
Ein Arbeitstag in einer Kanzlei ist sehr vielfältig. Wir machen fast alles. Wenn Kollegen krank sind, übernehme ich ihre Aufgaben, da ich aufgrund meiner Fachwirtausbildung als Generalist vielseitig einsetzbar bin. Das geht vom Handelsregister bis hin zu ganz normalen Kaufvertragsabwicklungen oder beispielsweise Beratung in Erbschaftsangelegenheiten. Also alles, was zum Notariat gehört. Es ist auch monats- und konjunkturabhängig. Manchmal rufen viele Leute an, und zeitweise haben wir auch sehr viele Kaufverträge auf einmal. Es ist schwierig zu sagen, dass es einen ganz typischen Alltag gäbe. Ich finde, der Job ist sehr abwechslungsreich.
Welche Fähigkeiten aus Ihrer vorherigen Karriere haben Ihnen in Ihrer jetzigen Position besonders geholfen?
Durch das Physikstudium kann ich natürlich noch ganz gut rechnen. Ich kann auch sehr schnell im Kopf bruchrechnen. Deswegen bin ich auch so reingerutscht, dass ich der Experte rund ums Erbe bin. Erbschaftsangelegenheiten betreffen häufig die Berechnung und Verteilung von Vermögenswerten. Ich habe auch in der Handschriftenabteilung der Bibliothek gearbeitet, wo ich mich mit historischen Dokumenten beschäftigt habe. Dadurch habe ich schnell gelernt, wie man Erbschaften grafisch darstellen kann, was mir als Quereinsteiger in der Kanzlei sehr geholfen hat. Besonders bei Kauf- oder Immobilienverträgen in anderen Bundesländern muss man zügig ermitteln können, welche Ämter zuständig sind oder zum Beispiel, ab welcher Größe in Rheinlad-Pfalz bei einem Weinberg das Grundstücksgesetz zu beachten ist. Auf diese detaillierten Recherchetätigkeiten bin ich im Studium gut vorbereitet worden.
Welche Ratschläge würden Sie jungen Menschen, die sich beruflich verändern wollen oder sogar einen Quereinstieg in einen ganz neuen Bereich erwägen, geben? Welche Tipps haben Sie allgemein für eine Karriere in einer Kanzlei?
Wenn man überzeugt ist, dass die Arbeit in der Kanzlei das Richtige für einen selbst ist und die Berufsaussichten gut sind – im Notariat suchen wir gerade sehr gute Leute –, sollte man den Schritt wagen. Ich würde empfehlen, zunächst hineinzuschnuppern. Vielleicht ein oder zwei Monate ein Praktikum machen, um zu sehen, was auf einen zukommt, und um Überraschungen zu vermeiden. Es ist wichtig, sich ehrlich zu fragen, ob man nochmal Ausbildungsgehalt bekommen möchte und alles organisatorisch bewältigen kann. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass man in der Ausbildung wieder mit vielen jungen Menschen zusammen sein wird.
Haben Sie sich mit den anderen Auszubildenden gut verstanden?
Ich habe mich mit allen sehr gut verstanden, und das Alter spielte dann keine Rolle mehr. Das ist vielleicht auch eine Typfrage. Ich konnte schon immer gut mit jüngeren Menschen umgehen. Insofern hatte ich überhaupt keine Berührungsängste, und manche sahen mich aufgrund meiner Erfahrung als Mentor.
Welche Ressourcen würden Sie anderen empfehlen, die einen ähnlichen Karriereweg einschlagen möchten?
Bei Buchempfehlungen fragen Sie natürlich den Richtigen. Selbstverständlich gibt es für die Ausbildung Bücher, die von der Berufsschule empfohlen werden und die man kaufen muss. Den angehenden Notarfachangestellten steht darüber hinaus eine Vielzahl von hochwertigen Fachbüchern zur Verfügung, die verschiedene Aspekte des Notariats abdecken. Eine Reihe wird auch von Europa Lehrmittel angeboten. Darüber hinaus bietet das Internet eine Fülle von Informationen zur Ausbildung.
Ich war in einer Klasse mit 20 Mitschülern und habe im Gespräch mit ihnen gemerkt, dass es für einige etwas schwieriger ist, im Notariat anzukommen, und da können diese Bücher helfen.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Rechtsbranche und welche Chancen sehen Sie für Quereinsteiger?
Natürlich schreitet die Digitalisierung voran. Ich habe bereits zweimal in meinem Berufsleben den Übergang von Papier zu digital erlebt. Während es im Rechtsbereich bisher nur in bestimmten Bereichen entscheidend ist, genau zu wissen, wo bestimmte Akten liegen, damit man sie wiederfindet, ändert sich dies natürlich mit der fortschreitenden Digitalisierung. Die Umstellung auf digitale Prozesse kann jedoch auch eine Herausforderung sein. Daher bin ich froh, dass ich diese Veränderung bereits einmal mitgemacht habe und daher besser verstehe und einordnen kann.
Was würden Sie rückblickend anders machen, wenn Sie die Chance hätten, Ihren Karrierewechsel noch einmal zu durchlaufen?
Ich glaube, überhaupt nichts. Es hat sich im jeweiligen Moment immer richtig angefühlt und ich bin auch vom Ausgang total überzeugt.
Was gefällt Ihnen an Ihrer neuen Rolle in der Kanzlei am besten?
Diese Frage ist für mich besonders wichtig, da sie einer der Hauptgründe für meinen Quereinstieg in die Kanzlei war. Der direkte Kontakt mit den Klienten macht mir viel Freude. Es ist mir ein Anliegen, Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen. Wenn sie zu mir kommen, ist mir bewusst, dass sie sich in einer belastenden Situation befinden und vielleicht wenig Erfahrung mit Rechtsangelegenheiten haben. Deshalb ist es für mich besonders befriedigend, wenn ich ihnen Sicherheit geben kann und sie wissen, dass sie in guten Händen sind.
Haben Sie ein Beispiel, wo sie jemandem besonders helfen konnten?
Ja, daran erinnere ich mich noch gut. Es waren zwei der ersten Dokumente, die ich vorbereitet habe – eine Vorsorgevollmacht und ein Testament. Beide habe ich damals erstellt. Die Geschichte ist ein wenig traurig, denn die Erblasserin war bereits schwer krank und ist kurz darauf verstorben. Aber ich war sehr gerührt, als mich der Erbe zwei Wochen später anrief und voller Begeisterung berichtete, wie reibungslos alles geklappt hat.
Ich erinnere mich auch daran, dass ich der Erblasserin geraten hatte, trotz ihres Testaments noch einmal mit ihrer Familie über ihre Wünsche für ihre Beerdigung zu sprechen. Es war großartig, dass wir sie darauf hingewiesen haben, denn anschließend teilte sie ihre Vorstellungen ihrer Familie mit. Ihr Sohn wusste dann, wie sie es sich gewünscht hatte, und konnte es entsprechend umsetzen. Das hat ihm ein gutes Gefühl gegeben.